11.11.2012
Schon im vergangenen Jahr war das Thema kommunale Fusionen häufiger in der öffentlichen Diskussion
Warum wird das Thema Fusion Landkreis Helmstedt mit der Stadt Wolfsburg in der Öffentlichkeit so intensiv diskutiert?
Dafür gibt es zwei erkennbare Gründe:
■1. Das Land Niedersachsen stellt allen fusionierenden Kommunen einen Schuldenerlass im Rahmen des sog. Zukunftsvertrags in Aussicht.
■2. Die neue Generation der Kommunalmanager (Bürgermeister, Landräte) sieht in den Fusionen DAS Profilierungsinstrument, um Ihre kommunalen Gebietskörperschaften zukunftsfähig zu machen.
Was bedeutet denn der hier angesprochene Schuldenerlass im Rahmen des Zukunftsvertrages? Wo kommen überhaupt die kommunalen Schulden her? Welche Schuldenfaktoren gibt es? Warum möchte das Land, dass kommunale Gebietskörperschaften fusionieren und welche Auswirkungen hat das auf den Landeshaushalt?
Mit diesem Fragenkomplex wird zunächst einmal der Hintergrund näher beleuchtet, damit man etwas mehr Einblick erhält in den Mechanismus, der hier angesprochen wird.
Der Landkreis Helmstedt weist eine hohe Verschuldung auf. Soll der Landkreis in Zukunft handlungsfähig bleiben, müssen weitere Konsolidierungskonzepte erstellt und Einsparungen erbracht werden. Dann erst kann der Landkreis Helmstedt auch am sog. Zukunftsvertrag des Landes Niedersachsen teilhaben. Kommunen, die durch Fusion und Konsolidierung oder durch Eigenkonsolidierung einen ausgeglichenen Haushalt erreichen, können im Rahmen des Zukunftsvertrages 75 % ihrer Kassenkredite abgeben. Ab 2012 stellt das Land für die Übernahme jährlich Sondervermögen zur Rückführung der Kredite zur Verfügung. Ziel ist die „Wiederherstellung der dauernden Leistungsfähigkeit“ von Kommunen.
Soweit, so gut. Nur, was ist mit dem Verschuldungsmechanismus, der zu diesen finanziell kritischen Situationen gegführt hat?! In vielen Fällen sind es die Sozialkosten, die die Gemeinden und Städte in den finanziellen Ruin führen, da die AntragstellerInnen einen Rechtsbehelfsbelehr und damit einen Rechtsanspruch und ggf. einen Rechtstitel gegen die Stadt oder Gemeinde haben. Zudem muss dieKommune die Mittel zunächst verauslagen, um sie im Zuge des Kostenausgleichs von Bund und Ländern wieder per Ausgleichszahlung zurückzufordern. Doch genau da liegt der Hase im Pfeffer. Das passiert nur teilweise und immer wieder leider nur unvollständig.
Und solange dieses nicht passiert, wird auch eine Fusion mit wem auch immer nichts an der Verschuldung ändern, selbst wenn das Land Niedersachsen Millionenbeträge an Steuermitteln verauslagt, um die Schuldensituationen der jeweiligen kommunalen Gebietskörperschaften zu lindern.
Es ist sogar feststellbar, dass die bisherigen Versionen rein fiskalisch und monetär betrachtet nach meinem persönlichen Dafürhalten nichts weiter als eine volksverdummende Augenwischerei darstellen. Sie dienen desweiteren nach meiner eigenen Ansicht mehr dazu, persönliche Karrieren zu protegieren, doch am eigentlichen Problemkern wird nichts oder nur sehr sehr wenig gearbeitet, denn sonst stünden ja Zahlenwerke im Vordergrund des Interesses. Zum Beispiel Zahlenwerke, wer genau welche Schulden übernimmt, für wie lange und was diese Zahlungen an Folgen für die einsparenden und dann zu einem ausgeglichenen Haushalt per Entschuldungsvertrag mit dem Land verpflichteten kommunalen Gebietskörperschaften mit sich bringen.
Und es würde ganz sicher auch Zahlenwerke dazu geben, wo denn genau die dann übernommenen Schulden bleiben und welche Wirkung diese Schuldenübernahme dann für das Land Niedersachsen in der Folge haben. Sie verschwinden ja nicht einfach mal so mir nichts dir nichts. Darüber ist kaum Literatur zu finden, geschweige denn Prognosen. Schliesslich muss das Land ja noch vielen anderen Verpflichtungen nachkommen, u.a. muss ein umfangreicher Sicherheitsapparat bezahlt werden, die Lehrerschaft will bezahlt sein, die vielen Rentenansprüche der Politkaste stehen Jahr für Jahr an usw.. Ich persönlich recherchiere dazu sehr intensiv und bis dato finde ich kaum aussagefähige Unterlagen dazu. Aber vielleicht hat ein Leser dieser Artikel ja Unterlagen, die ich dann auch einsehen kann.
Neuerdings nun sollen sich z. B. im Landkreis Helmstedt und der Stadt Wolfsburg die demokratisch legitimierten Parteien der SPD und CDU zur Herausarbeitung einer gemeinsamen Strategie treffen und gemeinsame Papiere ins Werk setzen, um eine Fusion zwischen den beiden Einheiten ins Werk zu setzen. Das betrifft natürlich getrennte Bereiche, also wird es einmal ein Papier der SPD und einmal eines der CDU geben, denn soweit ist die Kooperation noch nicht umgesetzt, dass sich die Parteien dogmatisch übergreifend und an der Sache orientiert zielführend zusammen setzen. Jede will für sich das Thema beanspruchen und dann in den jeweiligen Gremien durchsetzen. Die SPD hat zur Zeit die Mehrheit in den beiden Gebeitskörperschaften so daß man siegesgewiss und selbstbewußt sein kann.
Übrigens ein augenfälliges Phänomen, dass ausgerechnet die, die am lautesten nach Fusionen, Kooperationen, Synergieeffekten u.ä. schreien, die sind, die am wenigsten in dieser Hinsicht auf den Schirm bekommen. Gerade die Parteigremien sind es doch, die seit Jahrzehnten nicht miteinander kooperieren. Vor allem auf kommunaler Ebene, wo dogmatische Weltanschauungen eben wegen der naheliegenden Wirkungen auf die Bürgerschaft eigentlich ja völlig fehl am Platze sind, müssten gerade die Parteien und deren Mitglieder nicht nur lamentierend fordern sondern selbst mit guten Beispiel voran gehen und parteiübergreifende Arbeitsgruppen gründen, um gemeinsame Entscheidungen herbeizuführen. Vor allem zu dem Thema kommunale Fusionen sollten sich m. E. dringlichst solche parteiübergreifenden Arbeitsgruppen bilden, denn was nützt es, wenn sich gerade vor den Niedersachsenwahl im Januar 2013 jetzt die Parteien plötzlich wieder ganz aktiv zeigen und nur jeder eine eigene Vorgehensweise vorstellt, ohne sich mit den Fachleuten von Land, Kommunen, gesellschaftlichen Interessenvertretungen intensiv auszutauschen.
Aber Nein, wieder kocht jeder nur sein eigenes Süppchen und was noch viel schlimmer als diese Tatsache ist, ist, dass diese sich überwiegend aus Laien zusammensetzenden Gremien nur wenig bis gar keine Fachkompetenzen aufzuweisen haben. Und das ist bei einem so umfassenden Themenbereich wie kommunalen Fusionen eigentlich nicht hinnehmbar.
Und wer genau bearbeitet dann diese zu erstellenden parteiproklamatischen Papiere zur Regionalfusionsstrategie?
Für gewöhnlich wird das die jeweilige Kreistagsfraktion resp. Ratsfraktion machen. Bei einem Konstrukt wie dem Landkreis Helmstedt ist die Kreistagsfraktion zumeist völlig losgelöst von den Ratsfraktionen der kreisangehörigen Städte und Gemeinden. Bei der Ratsfraktion der Stadt Wolfsburg ist ein ähnliches Phänomen zu beobachten, denn die Ratsfraktionen der Stadtteile sind für gewöhnlich nur unzureichend involviert bis hin zu völlig desorientiert, da dazugehörige Projektmanagementinstrumente bei den Parteien selten bis gar nie zum Einsatz kommen.
Würde es nun darum gehen, einen Verein der LiebhaberInnen blaublühender Kleesorten zu fusionieren, wäre das ja durchaus hinnehmbar. Hier allerdings geht es um das Wohl und Wehe von hunderttausenden von Menschen und es geht um über 1 Milliarde Euro jährlichen Haushaltsetats und damit auch um Lebensqualität und Lebenssinn für viele tausende BürgerInnen.
Dass das momentan keine Rolle spielt, erkennt man unschwer daran, dass für den Bürgermeister aus Wolfsburg anscheinend VW und die Zulieferer im Vordergrund des Interesses stehen und für den Landrat des Landkreises Helmstedt nach meinen Informationen die Schuldensituation der Verwaltung des Landkreises Helmstedt. Der eine benötigt z. B. Wohn- und Gewerbeflächen, der andere will eine Fusion, da er das Wohl der Verwaltung nur darin sieht, eine Zusammenlegung der jeweiligen Verwaltungseinheiten herbeizuführen. Der Haken an der Sache ist der, dass der Landkreis Helmstedt über keinerlei Flächen verfügen kann, die in diesem Kontext relevant wären (eine Ausnahme bildet eine als Abfalldeponie deklarierte Fläche im bestehenden Flächennutzungsplan im Ortsteil Barmke der Stadt Helmstedt, die sogar über einen nahen Autobahnanschluss verfügt). Ansonsten sind die Flächen, um die es beim Wohn- und Gewerbebau geht, allesamt nicht Angelegenheit des Landkreises Helmstedt sondern der jeweiligen kreisangehörigen Städte und Gemeinden. So verwundert es auch nicht, dass die Stadt Wolfsburg über die Wolfsburg AG bereits in intensiven Verhandlungen stehen soll mit der Gemeinde Lehre und der Stadt Königslutter, da diese über die notwendigen, dem VW-Werk sehr nahen Flächen verfügen. Mehr potenzielle Flächen gibt es m. E. für Zulieferer von VW im Landkreis Helmstedt zur Zeit nicht. Die Samtgemeinde Velpke im Norden des Landkreises Helmstedt und unmittelbar im Osten an das Stadtgebiet Wolfsburg angrenzend schläft seit Jahrzehnten diesbezüglich den Schlaf der Gerechten und weder die Samtgemeindeverwaltung noch die Steuerungsgremien der Mitgliedsgemeinden haben bis dato in Sachen Gewerbe- und Ansiedlungsflächen konstruktives beigetragen. Eigentlich ein fataler Fehler, denn die Osterweiterung des VW-Werkes hat längst stattgefunden auf den Flächen der nahen Städte Oebisfelde und Salzwedel, wo schon profunde Zulieferer ihren Standort gefunden haben.
Eine weiterer Haken ist der, dass die Stadt Wolfsburg bis dato keinerlei Anzeichen macht, diese Fusion ebenfalls zu wünschen, denn sie benötigt lediglich die Flächen, nicht aber die Schulden und anderen Infrastrukturen des Landkreises Helmstedt.
Es werden also Begriffe ins Volk gestreut, um zu belegen, dass man zumindest einseitig (Landkreis Helmstedt) aktiv ist und zielgerichtet vorangeht. Doch wird auch inhaltlich ebenso stringent vorgegangen? Mitnichten. Es menschelt auch hier ganz gewaltig. Anspruch und Wirklichkeit liegen weit weit auseinander.
Gutachten- und Untersuchungsergebnisse werden als Beiwerk und Beleg für eine anscheindend durchgreifende Beteiligung der verschiedenen relevanten Gruppierungen dargestellt.
Insgeheim werden Fakten und Tatsachen geschaffen durch Beschlüsse, für die es rein fachlich kaum nachweisbare Faktenanalysen gibt, auf denen diese Beschlüsse dann beruhen und entwickelt wurden. Und wenn, dann sind es Dokumente, die wie häufig in einem solchen Zusammenhang Auftragsarbeiten darstellen und letzten Endes nur als externalisierte Proklamationen des bereits lange vorab Entschiedenen verwendet werden.
Man darf den Begriff parteidiktatorisch hier provokatorisch verwenden. Intransparenz, Unsachlichkeit, Nichtnachvollziehbarkeit sind die drei diese Abläufe kennzeichnenden Charakteristika. Eine Partei, die sich an der Macht wähnt, geht egal wo auf dieser Welt immer nach demselben Mechsnismus vor. Abgeschlossene Zirkel von EntscheidungsträgerInnen bauen sich in ihrer Weltsicht eine Strategie zusammen und werden diese ohne jede weitere kritische Betrachtung durchzusetzen versuchen. Das ist eben so.
Auf diese Art von Fusionen können BürgerInnen allerdings ganz gleich wo durchaus verzichten! Vor allem, wenn sie, wie in unserem Land, nach Informationen verlangen, um die Vorgehensweisen der von ihnen Gewählten kritisch betrachten zu können.
Meines Erachtens muss sich gerade die Politik an die eigene Nase fassen und endlich mal verstehen lernen, dass es gerade auf den kommunalen Ebenen NICHT darauf ankommt, was welche Partei wie beschliesst oder als anscheinend eigenes Programm auf den Weg bringt, sondern darauf, ob und wie die Interessen der BürgerInnen am besten gewahrt werden. Und das Interesse der Bürgerschaft ist es nicht, immer weniger kommunale Services zu immer teureren Preisen einzukaufen, sondern immer mehr Dienstleistungen ortsnah und günstig wahrnehmen zu können. Interesse der Bürgerschaft ist es ganz sicher auch nicht, dass sich die Verwaltungsführungen erst großpfupfert ins Wahlgeschehen einbringen, um dann kleinlaut und den ach so schlimmen Sachzwängen folgend kleinlaut und schwanzklemmend gegenüber dem Land zeigen und kampf- und kraftlos dem Schicksal ihrer Verantwortlichkeiten in den jeweiligen Gebeitskörperschaften ihren Lauf lassen. Ihnen sind ja auch, egal was sie auch tun und lassen 75% Pensionsbezüge sicher. Da läßt es sich leicht zuerst laut daherreden und hernach dann kleinlaut herumwinseln.
Die Mehrheit der politischen Entscheidungsträger hat noch immer nicht verstanden, dass sie stets im Sinne aller BürgerInnen zu denken haben und nicht nur für ihren kleinen verstaubten Parteistammtisch. Sie buhlen nach wie vor wie kleine Streithähne um das schönste Konzept, wetteifern um Belanglosigkeiten und kaprizieren sich aufdringlichst auf ihr Ego und nehmen die eigentlichen Herausforderungen aus Inkompetenz, schlichter Faulheit oder einfach fachlicher Überbeanspruchung nicht mehr an und stellen sich den Problemen. Das ist leider allenthalben so und genau das brauchen wir in dieser Zeit überhaupt gar nicht mehr.
Es ist ja auch zu einfach, einem Vorredner zu folgen, der aus welchen Gründen auch immer sagt, es ist alles schlecht und ihr/wir werdet/werden niemals überleben können, wenn wir so weitermachen. Also folgt meinem Konzept und alles wird gut. Kein Diskurs, keine inhaltlicher Auseinandersetzung, kein fachlicher Streit mehr – nirgendwo Kooperation im Sinne von Zielerreichung, sondern Stimmviehverhalten ohne Inhalt und Sinn.